Wenn ich das gewusst hätte …

Autorin zu werden, war nie mein Traum, sondern dies hat sich durch Zufall ergeben. Nachdem ich jedoch mit dem Schreiben begonnen hatte, konnte ich damit nicht wieder aufhören. Das nächste Ziel war daher „Veröffentlichung“. Meine Vorstellung von dem Leben, nach dem ich einen Verlag gefunden hatte, war denkbar einfach: Ich schreibe, gebe das Manuskript ab und das Buch wird veröffentlicht. Soweit meine Theorie - über die meine Programmleiterin immer wieder gern herzhaft lacht. Die Praxis sieht dann doch ganz anders aus und nicht nur bei diesem Punkt habe ich völlig falsche Vorstellungen gehabt: Einhalten einer Deadline Zunächst klingt es phantastisch: Ich habe einen Vertrag nur auf Basis eines Exposés bekommen, so wie die ‚richtigen’ Autoren. Im Vertrag steht zwar ein Abgabetermin, aber der liegt noch weit in der Zukunft. Die Sektkorken knallen und ich fange ganz entspannt an zu schreiben. Dann wird das Cover gestaltet und ich stecke noch im ersten Drittel des Manuskripts. Erste Anzeichen von Nervosität zeigen sich, die sich nur durch intensives Nachrechnen (durchschnittliche Seiten pro Tag bisher/voraussichtliche Länge/Abgabetermin) vertreiben lassen. Dann wird das Buch bei Amazon gelistet und ich werde im Bekannten- und Freundeskreis darauf angesprochen und muss zugeben, dass ich das Buch gerade erst schreibe. Die ungläubigen Reaktionen lassen aus der Nervosität mittlere Panikattacken werden. Nach einem Blick auf den Kalender normalisiert sich der Blutdruck wieder – meistens. Erst als das Manuskript drei Wochen vor Abgabetermin fertig ist und nur noch die letzten Anmerkungen der Testleser fehlen, ich es aber jederzeit abschicken könnte, ist alles gut. Lesungen Ich liebe Lesungen, besonders die von Sebastian Fitzek. Lesungen sind das, was die anderen machen. Die berühmten, erfolgreichen aber doch keine noch unveröffentlichte Autorin. Klarer Irrtum, wie sich mit der Einladung zur Loveletter Convention 2012 zeigte. Der drohende Lesungstermin stellt sich als die ideale Diät heraus. Essen? Fast unmöglich. Schlaf? In homöopathischen Dosen. Fluchtgedanken? Unendlich viele. Dann ist der Moment da. Und irgendwann stelle ich fest, es funktioniert. Ich kann wider Erwarten noch einigermaßen sinnvolle Wörter aneinanderreihen und die Zuhörer hören auch tatsächlich meiner Geschichte zu. Am Liebsten würde ich vor Erleichterung ganz tief durchatmen, aber das passt so gar nicht zu der Textstelle, die ich gerade vorlese. Am Ende ist alles gut wenn da nur nicht an der Ecke schon die Nervosität vor der nächsten Lesung lauern würde. Wer ist eigentlich der Chef? Der Autor bestimmt, was seine Protagonisten tun. Er ist also der Chef. Klingt gut, endlich tut mal jemand, was ich ihm sage. Soweit die Theorie, nun zur Praxis. Es mag Autoren geben, bei denen dies zutrifft, aber bei mir ist es völlig anders. In dem Moment, in dem eine Figur auf dem Papier - oder dem Computermonitor - zum Leben erweckt wird, hat sie ihren eigenen Kopf und den weiß sie auch zu gebrauchen. Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass ich den Anfang, das Ende und den roten Faden zwischen diesen Punkten vorgeben darf. Den Rest übernehmen meine Protagonisten dann schon selbst. So hatte ich mir das zwar nicht vorgestellt, aber so ist es eben. Wenn Jay aus „Jay Explosive Wahrheit“ beschließt, dass er für einige Stunden mit seiner ungeliebten Chefin Tourist in New York spielen will, ehe er wieder zu einer seiner - nennen wir es - unkonventionellen Methoden greift, muss ich das akzeptieren. Genauso wie ich nur seufzend zusehen kann, wenn Luc aus „Luc Fesseln der Vergangenheit“ mal wieder den Helden spielen muss. So sind sie eben. Aber am Ende stelle ich fest: Sie wussten schon, was sie tun, denn das Ergebnis ist gut so, wie es ist. Das Entlassen des Buches in die Freiheit Den Erziehungsgrundsatz „Solange Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel“ finde ich gut und versuche ihn, zu befolgen, auch wenn es manchmal verdammt schwer ist, sein Kind ‚alleine fliegen zu lassen’. Aber kein Mensch hat mir verraten, dass dies auch für Bücher gilt. Die Veröffentlichung steht unmittelbar bevor. Die ersten Rezensionen drohen. Die Unsicherheit nimmt neue Ausmaße an. Was werden die Leser denken? Was werden die Experten in den Zeitschriften, Blogs und Foren schreiben? Die Figuren sind irgendwie ein Teil von mir, auch wenn sie mich manchmal in den Wahnsinn treiben, aber werden die Leser sie auch mögen? Vielleicht hätte das Manuskript besser niemals meine Festplatte verlassen! Wie ein Mantra wiederhole ich: Sie haben deine Programmleiterin und Lektorin und deine Testleser überzeugt, also wird es schon passen. Trotzdem hängt nach wenigen Sekunden wieder ein „ABER“ im Raum und ich suche vergeblich nach Wegen, meine Figuren vor der Welt da draußen zu beschützen. Mit Büchern ist es wie mit Kindern, man muss sie loslassen, aber wie das funktioniert, sagt einem keiner. Ob alles gut wird? Weiß ich noch nicht, aber meine Programmleiterin und meine Lektorin und meine Testleser haben gesagt, dass … Diese Liste ist noch lange nicht vollständig, und obwohl ich mittlerweile einige Vorstellungen korrigieren musste, und dies die nächsten Wochen, Monate und Jahre wohl so weitergehen wird, bleibt es dabei: Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich trotzdem Autorin geworden ... © Stefanie Ross
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Wenn ich das gewusst

hätte …

Autorin zu werden, war nie mein Traum, sondern dies hat sich durch Zufall ergeben. Nachdem ich jedoch mit dem Schreiben begonnen hatte, konnte ich damit nicht wieder aufhören. Das nächste Ziel war daher „Veröffentlichung“. Meine Vorstellung von dem Leben, nach dem ich einen Verlag gefunden hatte, war denkbar einfach: Ich schreibe, gebe das Manuskript ab und das Buch wird veröffentlicht. Soweit meine Theorie - über die meine Programmleiterin immer wieder gern herzhaft lacht. Die Praxis sieht dann doch ganz anders aus und nicht nur bei diesem Punkt habe ich völlig falsche Vorstellungen gehabt: Einhalten einer Deadline Zunächst klingt es phantastisch: Ich habe einen Vertrag nur auf Basis eines Exposés bekommen, so wie die ‚richtigen’ Autoren. Im Vertrag steht zwar ein Abgabetermin, aber der liegt noch weit in der Zukunft. Die Sektkorken knallen und ich fange ganz entspannt an zu schreiben. Dann wird das Cover gestaltet und ich stecke noch im ersten Drittel des Manuskripts. Erste Anzeichen von Nervosität zeigen sich, die sich nur durch intensives Nachrechnen (durchschnittliche Seiten pro Tag bisher/voraussichtliche Länge/Abgabetermin) vertreiben lassen. Dann wird das Buch bei Amazon gelistet und ich werde im Bekannten- und Freundeskreis darauf angesprochen und muss zugeben, dass ich das Buch gerade erst schreibe. Die ungläubigen Reaktionen lassen aus der Nervosität mittlere Panikattacken werden. Nach einem Blick auf den Kalender normalisiert sich der Blutdruck wieder – meistens. Erst als das Manuskript drei Wochen vor Abgabetermin fertig ist und nur noch die letzten Anmerkungen der Testleser fehlen, ich es aber jederzeit abschicken könnte, ist alles gut. Lesungen Ich liebe Lesungen, besonders die von Sebastian Fitzek. Lesungen sind das, was die anderen machen. Die berühmten, erfolgreichen aber doch keine noch unveröffentlichte Autorin. Klarer Irrtum, wie sich mit der Einladung zur Loveletter Convention 2012 zeigte. Der drohende Lesungstermin stellt sich als die ideale Diät heraus. Essen? Fast unmöglich. Schlaf? In homöopathischen Dosen. Fluchtgedanken? Unendlich viele. Dann ist der Moment da. Und irgendwann stelle ich fest, es funktioniert. Ich kann wider Erwarten noch einigermaßen sinnvolle Wörter aneinanderreihen und die Zuhörer hören auch tatsächlich meiner Geschichte zu. Am Liebsten würde ich vor Erleichterung ganz tief durchatmen, aber das passt so gar nicht zu der Textstelle, die ich gerade vorlese. Am Ende ist alles gut wenn da nur nicht an der Ecke schon die Nervosität vor der nächsten Lesung lauern würde. Wer ist eigentlich der Chef? Der Autor bestimmt, was seine Protagonisten tun. Er ist also der Chef. Klingt gut, endlich tut mal jemand, was ich ihm sage. Soweit die Theorie, nun zur Praxis. Es mag Autoren geben, bei denen dies zutrifft, aber bei mir ist es völlig anders. In dem Moment, in dem eine Figur auf dem Papier - oder dem Computermonitor - zum Leben erweckt wird, hat sie ihren eigenen Kopf und den weiß sie auch zu gebrauchen. Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass ich den Anfang, das Ende und den roten Faden zwischen diesen Punkten vorgeben darf. Den Rest übernehmen meine Protagonisten dann schon selbst. So hatte ich mir das zwar nicht vorgestellt, aber so ist es eben. Wenn Jay aus „Jay Explosive Wahrheit“ beschließt, dass er für einige Stunden mit seiner ungeliebten Chefin Tourist in New York spielen will, ehe er wieder zu einer seiner - nennen wir es - unkonventionellen Methoden greift, muss ich das akzeptieren. Genauso wie ich nur seufzend zusehen kann, wenn Luc aus „Luc Fesseln der Vergangenheit“ mal wieder den Helden spielen muss. So sind sie eben. Aber am Ende stelle ich fest: Sie wussten schon, was sie tun, denn das Ergebnis ist gut so, wie es ist. Das Entlassen des Buches in die Freiheit Den Erziehungsgrundsatz „Solange Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel“ finde ich gut und versuche ihn, zu befolgen, auch wenn es manchmal verdammt schwer ist, sein Kind ‚alleine fliegen zu lassen’. Aber kein Mensch hat mir verraten, dass dies auch für Bücher gilt. Die Veröffentlichung steht unmittelbar bevor. Die ersten Rezensionen drohen. Die Unsicherheit nimmt neue Ausmaße an. Was werden die Leser denken? Was werden die Experten in den Zeitschriften, Blogs und Foren schreiben? Die Figuren sind irgendwie ein Teil von mir, auch wenn sie mich manchmal in den Wahnsinn treiben, aber werden die Leser sie auch mögen? Vielleicht hätte das Manuskript besser niemals meine Festplatte verlassen! Wie ein Mantra wiederhole ich: Sie haben deine Programmleiterin und Lektorin und deine Testleser überzeugt, also wird es schon passen. Trotzdem hängt nach wenigen Sekunden wieder ein „ABER“ im Raum und ich suche vergeblich nach Wegen, meine Figuren vor der Welt da draußen zu beschützen. Mit Büchern ist es wie mit Kindern, man muss sie loslassen, aber wie das funktioniert, sagt einem keiner. Ob alles gut wird? Weiß ich noch nicht, aber meine Programmleiterin und meine Lektorin und meine Testleser haben gesagt, dass … Diese Liste ist noch lange nicht vollständig, und obwohl ich mittlerweile einige Vorstellungen korrigieren musste, und dies die nächsten Wochen, Monate und Jahre wohl so weitergehen wird, bleibt es dabei: Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich trotzdem Autorin geworden ... © Stefanie Ross